- Literaturnobelpreis 1967: Miguel Ángel Asturias
- Literaturnobelpreis 1967: Miguel Ángel AsturiasDer Guatemalteke erhielt den Nobelpreis für seine in der volkstümlichen Eigenart und den indianischen Traditionen Lateinamerikas tief verwurzelte farbenreiche Dichtung.Miguel Ángel Asturias, * Guatemala-Stadt 19. 10. 1899, ✝ Madrid 9. 6. 1974; ab 1944 mit Unterbrechungen im diplomatischen Dienst, 1954-66 im Exil, 1966 Botschafter in Paris, im selben Jahr Auszeichnung mit dem Lenin-Friedenspreis, schrieb unter anderem die Romane »Der Herr Präsident« (1946) und »Die Maismenschen« (1949), begründete den Stil des »Magischen Realismus«.Würdigung der preisgekrönten LeistungMiguel Ángel Asturias war der älteste Sohn einer Mayaindianerin und eines Mestizen. Der Vater, Ernesto Asturias, ein Jurist, der sich aus moralischer Empörung über das unzivilisierte Benehmen des Diktators Estrada Cabrera weigerte, revoltierende Studenten zum Tode zu verurteilen, wurde aus der Hauptstadt verbannt und so gelangte die Familie nach Baja Verapaz, einer Provinz fern aller Zivilisation.Seine ersten Jahre verbrachte Asturias unter der Obhut seiner Mutter und der Großeltern. Sechs Jahre lebte die Familie in ständigem Kontakt mit der indianischen Bevölkerung. Der junge Asturias wurde so in die geheimnisvolle Welt der Mayas eingeführt und von ihr tief geprägt. 1907 wurde der Vater »begnadigt« und konnte in die Hauptstadt zurückkehren.1918 begann Asturias mit einem Medizinstudium, das er aufgab, um Jura und Publizistik zu studieren. Mit 24 Jahren reiste er nach Europa und wenig später beschäftigte er sich zusammen mit Professor Georges Raynaud in Paris an der Sorbonne mit Studien über die präkolumbianischen Religionen Amerikas. In dieser Zeit hatte er Kontakt zum Kreis der Surrealisten. 1928 kehrte Asturias für kurze Zeit nach Guatemala zurück und berichtete später als Zeitungskorrespondent aus Europa, dem Nahen Osten, Griechenland und Ägypten.Sein erstes erfolgreiches Buch mit dem Titel »Legenden aus Guatemala« veröffentlichte er 1930. Es machte ihn in Lateinamerika und Europa als Wortkünstler und literarischen Entdecker der Maya-Welt bekannt.»Der Herr Präsident«1946 konnte Asturias mit seinem Roman »Der Herr Präsident« einen großen Erfolg verzeichnen. Dieses Buch steht am Anfang einer Reihe großer Erzählungen über Diktatoren in Lateinamerika von so berühmten Autoren wie Gabriel García Márquez (Nobelpreis 1982), Augusto Roa Bastos und Mario Vargas Llosa.Das Buch ist als einer der großen Romane des 20. Jahrhunderts anzusehen. Asturias verzichtet darauf, den Ort der Handlung festzulegen. Die Hauptfigur, auf die der Titel anspielt, erscheint nur in zwei Szenen, seine Gestalt jedoch ist omnipräsent. Diese zwei Übergehungen, die des Ländernamens und der vermeintlichen Hauptfigur, darüber hinaus das Fehlen einer direkten Anklage, machen den Roman zu einer Allegorie über eine dunkle Macht in einer zentralamerikanischen Republik, die von Kriminalität, Verrat, ungesühntem Mord und dem moralischen Verfall seiner politischen Elite gegeißelt ist. So erhält die Erzählung einen tiefen symbolischen Wert. Das Leitmotiv des Werks ist die Ohnmacht gegenüber der Unbarmherzigkeit der Diktatur. Die Tyrannei verwandelt die Menschen in willenlose Kreaturen, für die, die sich dagegen auflehnen, bleibt nur der Tod. Der große Bild- und Wortreichtum, die Präzision der Sprache und die beeindruckende erzählerische Kraft Asturias' machen »Der Herr Präsident« zu einem Meisterwerk von dauerhaftem Wert.»Die Maismenschen«In »Die Maismenschen« mischt Asturias das Mythologische, das Legendäre des amerikanischen Kontinents mit dem Realen, dem Malerischen und dem Dramatischen. Nach dem Glauben der Mayas, den Asturias seinem Roman zugrunde legt, wurde der Mensch aus Mais geschaffen. In der Erzählung stehen sich die Menschen, die den Mais als Teil ihrer selbst und als heiliges Lebensmittel ansehen, denen gegenüber, die ihn wie jedes andere Handelsprodukt betrachten. Der Konflikt spielt sich also zwischen zwei Lebenskonzeptionen ab. In diesem Buch steht das Magische vieler Geschehnisse in enger Verbindung zum Popul Vuh, dem heiligen Buch der Mayas.Vor allem aufgrund der beiden genannten Bücher »Der Herr Präsident« und »Die Maismenschen« gilt Miguel Ángel Asturias als Begründer des »Magischen Realismus«.Die »Bananen-Trilogie«In den 1950er-Jahren schrieb Asturias die so genannte »Bananen-Trilogie«. In »Sturm« (1950), »Der grüne Papst« (1954) und »Die Augen der Begrabenen« (1960) wendet er sich gegen die Machenschaften eines US-amerikanischen Obstkonzerns: Er schildert, wie in einem kleinen mittelamerikanischen Land eine Plantage aufgebaut wird — auf Kosten der bestehenden Dörfer, die niedergebrannt werden, und deren Bevölkerung. In »Die Augen der Begrabenen« beschreibt Asturias die Anstrengungen Octavio Sansurs, einen Generalstreik zu organisieren, um dem Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Nicht zuletzt soll dieser Streik bewirken, dass die Toten, die entsprechend der Weltanschauung der Indios wegen des erlittenen Unrechts mit geöffneten Augen in ihren Gräbern liegen, diese schließen können.Diese Mayalegende dient Asturias als Instrument, um in seinem Roman surrealistische Themen und Techniken mit realistischen zu mischen. Die Romanfiguren sind überwiegend fantastisch und weisen Merkmale der Mayatraditionen auf.Asturias als DramaturgAls Dramaturg führte Asturias 1955 »Soluna« auf, ein Werk, in dem er Einblick in ein Stück Mayawelt bietet. Realistisch und magisch zugleich wird eine Welt gezeigt, in der übernatürliche Kräfte die Leiden der Menschen heilen können. 1957 schrieb er »La audiencia de los confines« (spanisch; Die Audienz am fernen Horizont), ein Theaterstück über Fra Bartolomé de las Casas und dessen Einsatz für die Rechte der Indios.Internationale Anerkennung1966 wurde Asturias zum Botschafter Guatemalas in Paris ernannt. Im gleichen Jahr erhielt er den Moskauer Lenin-Preis, was eine große internationale Anerkennung signalisierte. Ein Jahr später folgte die Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Literatur — Asturias war nach der Chilenin Gabriela Mistral (1945) erst der zweite Lateinamerikaner, dem diese Ehre zuteil wurde.Seinen Diplomatenposten gab Asturias 1970 aus Protest gegen die neuen Militärmachthaber in seinem Land auf. Fortan lebte und arbeitete er als freier Schriftsteller in Paris. Miguel Ángel Asturias starb 1974 in Madrid und wurde auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beigesetzt. Ein Band mit Sonetten und ein Roman über das guatemaltekische Bürgertum blieben unvollendet.N. Martos-Pilgrim
Universal-Lexikon. 2012.